Offener Brief an die Community für Somatic Sex Education und Sexological Bodywork

UPDATE: March 8, 2021, unchanged as of April 2024:
»A reflection on FEMINISM, CHOICE, COMPLICITY and SILENCE« (facebook) and how most Sexological Bodywork and Somatic Sex Education professional associations, leaders, teachers and influencers remain complicit and continue explicitly and silently enabling and supporting unethical practices, retraumatization in trainings, abuse of power and sexualized violence.

 

[Original auf Englisch]
25 April 2019

Liebe Kolleg:innen, Dozent:innen, Ausbilder:innen und Studierende der Somatic Sex Education und des Sexological Bodywork,

Wie viele von Euch wissen, traten vor etwa einem Jahr vier Körpertherapeuten der Somatic Sex Education/Sexological Bodywork (SSE/SB) (von denen einige auch Lehrer:innen und Betreuer:innen sind) in einen Prozess ein, mit dem Ziel, ein globales Gespräch über Ethik und Rechenschaftspflicht sowohl in der Lehr-/Ausbildungsarbeit als auch in der Arbeit mit Klient:innen im Bereich des Sexological Bodywork und der Somatic Sex Education zu initiieren. Infolgedessen wurde im November 2018 eine Erklärung zu Ethik und Rechenschaftspflicht (Accountability) veröffentlicht und kurz danach fand eine Versammlung der Community statt. Die Vierergruppe verschickte E-Mails an die vielen Lehrer:innen für Somatic Sex Education and Sexological Bodywork weltweit, um sie zur aktiven Mitarbeit einzuladen. Zu dieser Zeit fanden einige kurze Gespräche statt, und es bestand die Vision, dass in den kommenden Monaten ein noch intensiverer Dialog angeregt werden könnte. Kurz danach zogen sich zwei der vier Mitglieder des ursprünglichen Teams aus dem Prozess zurück, in dem es darum ging, zwei Arbeitsgruppen einzurichten, welche sich mit der Ethik und der Rechenschaftspflicht in unseren Berufen befassen sollten. Die zwei verbliebenen Mitglieder waren Ondra Veltrusky und Christiane Pelmas.

Mit dieser E-Mail möchten wir unsere communities — betroffen und erleichtert zugleich — darüber informieren, dass wir (Ondra und Christiane) unsere Rolle als Vermittler dieses globalen Dialogs nicht länger wahrnehmen. Es ist ein wichtiges Thema. Unserer Meinung nach ist es in der Tat entscheidend für den Fortbestand aller Berufe der Somatic Sex Education und des Sexological Bodywork; unerlässlich für die Sicherheit der Körpertherapeuten, Auszubildenden und der Klienten gleichermaßen. Genauso zweifelhaft ist es, ob sich die Berufe der Somatic Sex Education und des Sexological Bodywork ohne einen diesbezüglichen Dialog im erforderlichen Maß weiterentwickeln werden, um ihren Platz unter anderen anerkannten, evidenzbasierten Berufen wie Somatic Experiencing, Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) einzunehmen, um nur einige zu nennen. Der Mangel an Kohärenz innerhalb der Führung dieses Berufsstandes, die allgemeine Abwesenheit einer ethischen, transparenten Führung, der Mangel an „Restorative Justice“-Verfahren (opferorientierte Justiz) und einheitlichen Botschaften, sowie die fehlende Handlungskonsistenz der Führungsspitze ist alarmierend. Letztendlich ist es ein Zustand, den keiner von uns uneingeschränkt und leidenschaftlich bejahen kann.

Im Interesse der kontinuierlichen Weiterentwicklung dieses noch jungen und potenziell tiefgreifenden Berufsstandes und im Interesse all jener, die viel Zeit und Energie investiert haben, um Körpertherapeuten der Somatic Sex Education oder des Sexological Bodywork zu werden, hoffen wir, dass ein weltweiter Dialog Fuß fassen wird, mit der Absicht, die oben genannten fundamentalen Prinzipien zu thematisieren und zu verankern. Es bleibt zu hoffen, dass sich eine neue Kerngruppe von Interessierten bildet und sich der Aufgabe stellt, einen umfassenden und nachhaltigen Dialog anzuregen, der sich mit diesen grundlegenden Fragen befasst.

Christiane zieht sich aus allen ihren früheren Tätigkeiten zurück an der Definition, Weiterentwicklung und Verfeinerung der Somatic Sex Education und des Sexological Bodywork mitzuwirken. In Kürze wird es eine separate Ankündigung geben, in der sie die Community darüber informiert, in welche Richtung sie sich mit dem Institut für Erotische Intelligenz und dessen Aus- und Weiterbildungskursen orientieren will. Sie wird weiterhin ihre Betreuungs- und Mentorentätigkeit gegenüber allen Körpertherapeuten der Somatic Sex Education und des Sexological Bodywork und ihren Auszubildenden wahrnemen und priorisieren. Ebenso wird sie auch in Zukunft neuen Körpertherapeuten der Somatic Sex Education und des Sexological Bodywork, die Anleitung und Betreuung suchen, zur Verfügung stehen. Mit großer Freude kündigt sie an, dass bis zum Herbst 2019 eine neue Gruppe von soul-centric Somatic Sex Educators, die alle in Trauma, Bindung und interpersonaler Neurobiologie ausgebildet sind, als global tätige Betreuer zur Verfügung stehen werden, um all jene zu unterstützen, deren Ausbildung diese wesentlichen Komponenten nicht beinhaltete.

Ondra hat sich dazu entschieden, sein Engagement in der Diskussion über Ethik und Rechenschaftspflicht (accountability) in der Community solange zu pausieren, bis sich eine Einigung zur verantwortungsbewußten und transparenten Führung abzeichnet und diese in eine Formulierung von allgemeingültigen und verbindlichen Richtlinien resultiert. Aus seiner Sicht ist es inakzeptabel, dass Auszubildende aufgrund alarmierender Unterschiede in den beruflichen Qualitätsstandards und eines grundlegenden Mangels an Ethik und Integrität teure Ausbildungen wiederholen müssen. Eine Ausbildung ohne grundlegende Trauma-Schulung und transparente Förderungs- und Betreuungsstrukturen (z.B. Supervisionen) sollte seiner Meinung nach nicht unterstützt werden. Diese unverantwortliche Vernachlässigung allgemeingültiger professioneller Standards füge Einzelpersonen und der Community großen Schaden zu und sei dafür verantwortlich, dass traumatische Erlebnisse in Trainings, Grenzüberschreitungen und Missbrauch weiter gedeihen könnten. Ohne eine Anerkennung dieser Mängel und ein einheitliches Verfahren, um Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen (accountability process), könne keine wesentliche positive Veränderung und Heilung geschehen. Seine Zusammenarbeit mit dem australischen Institute of Somatic Sexology (ISS) als Coach und Supervisor wird Ondra weiterführen und freut sich weiterhin über einen kollegialen Austausch auf persönlicher Ebene.

Vielen Dank für das Lesen dieses Briefes! Möge die Schaffung von klaren und einheitlichen Richtlinien für die weltweite Anwendung von Somatic Sex Education und Sexological Bodywork und die Entwicklung einer lebendigen Ethik und einer Rechenschaftspflicht, die eine Notwendigkeit dieses Unterfangens sind, in unserer gesamten Community Vorrang haben.

In Dankbarkeit,
Christiane Pelmas & Ondra Veltrusky

Christiane ist zu finden unter:

instituteforeroticintelligence.com
christianepelmas.com
onewoman.org

Ondra ist zu finden unter:
ondra.li

Über den Blog-Autor

Picture of Ondra Veltruský, M. A.

Ondra Veltruský, M. A.

Ondra Veltruský ist ein körperorientierter Sexualcoach. Er hilft Menschen dabei herauszufinden, was sie im Bereich der Sexualität und Intimität erleben wollen. Neben Gesprächen arbeitet er mit trauma-sensiblem Berührungscoaching und dem bewussten Einsatz von Atmung, Stimme und Bewegung. Als zertifizierter Wheel of Consent®-Trainer veranstaltet er deutschlandweit Workshops zur Consent und Kommunikation.

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